Marokko - Märchen aus Königreich und Wüste

Über Rif und Atlas zur Straße der Kasbahs

Karte Marokko
Marokko - Übersicht unserer Route


Am Vormittag des ersten April fahren wir entspannt bei wenig Verkehr nach Chefchaouen, unserem ersten Campingplatz in Marokko, wo wir jetzt so langsam auch seelisch im Land ankommen wollen. Die Fahrt führt durch das wunderschöne und überraschend grüne Rif Gebirge, in dem heute weite Flächen durch blühende Ginster gelb leuchten.

Lac Barrage Martil, Marokko
Blühender Ginster am Lac Barrage Martil im Rif Gebirge


Chefchaouen - die blaue Stadt im Rifgebirge

Chefchaouen, Marokko
Blick über Chefchaouen, die Blaue Stadt im Rifgebirge

Auf dem Campingplatz Chefchaouen treffen wir am späten Nachmittag unsere Freunde Helga und Wolfgang, die hier heute die letzte Station ihrer Reise durch Marokko haben, bevor es für die beiden morgen wieder zurück nach Europa geht. Wir sitzen lange zusammen, tauschen Erfahrungen aus und hätten noch viel mehr zu erzählen, wenn wir die Zeit dafür hätten. Doch so müssen wir uns am Mittwoch, den 2.April verabschieden und machen uns am Vormittag auf den Weg, um die blaue Medina der Stadt zu besichtigen.

Andrea, Jürgen, Wolfgang, Helga, Chefchaouen
Mit Helga und Wolfgang am Campingplatz in Chefchaouen

Wie auch schon 2022 sind wir begeistert von dem beruhigenden Blau und der tollen Atmosphäre in den Gassen, die wir dieses Mal ohne Guide erkunden und in denen heute bei überwiegend sonnigem Wetter ein lebhafter Betrieb herrscht. Viele Touristen mischen sich mit den Einheimischen, die verschiedene Handwerke betreiben und mit allerlei Waren für den täglichen Bedarf und natürlich auch mit Souvenirs handeln. Wir machen einen Abstecher zur Spanischen Moschee, die auf einem Hügel etwas südöstlich der Medina liegt und von der wir einen ganz besonderen Blick auf die blauen Häuser der Stadt haben. Zurück in der Medina gibt es eine ganz besonders leckere und feurig scharfe Tajine mit Hähnchen im Restaurant Bilmos, das direkt neben der historischen Kasbah von Chefchaouen liegt. Nachdem wir den Zauber der blauen Stadt ausgiebig genossen haben, erhaschen wir am Rand der Medina ein Taxi, das wir uns mit einem einheimischen Fahrgast teilen und das uns für 20 Dirham bequem zurück zum Campingplatz bringt.

Chefchaouen, Marokko
Ganz in Blau - Die Medina von Chefchaouen

Chefchaouen, Marokko
Chefchaouen - die blaue Stadt im Rifgebirge

Durch das Rifgebirge

Am 3.April schickt uns das Navi über kleine Bergstraßen durch das Rifgebirge nach Fes. Auf schmalen Straßen, die teilweise in einem sehr schlechten Zustand sind und die oft nur langsam befahren werden können kommen wir über mehrere Pässe, auf denen sich immer wieder der Charakter der Landschaft verändert. Einmal fahren wir durch grüne Wälder, ein anderes Mal durch felsiges Buschland mit gelb blühendem Ginster, später durch saftig grüne Hügel, die intensiv landwirtschaftlich genutzt werden. Nur selten kommen wir durch Ortschaften, in denen dann aber meist ein lebhafter Betrieb herrscht. Am Schluss geht es noch quer durch Fes, da der Campingplatz auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt liegt. Zum Glück werden wir hier über Hauptstraßen geführt und müssen nicht durch die engen Altstadtgassen. Insgesamt brauchen wir für die gerade einmal 210 Kilometer fast sechs Stunden, das wird gegen Ende dann doch ganz schön lang. Natürlich gibt es zwischen Chefchaouen und Fes auch eine Verbindung über Hauptstraßen, die deutlich schneller wäre, aber eben nicht ganz so interessant.

In Fes finden wir Platz auf dem schon bekannten Camping Diamant Vert, wo allerdings wie schon in Chefchaouen bereits ziemlich viele weitere Wohnmobile stehen. Da wegen des Freitagsgebets morgen vormittag viele Geschäfte und Werkstätten geschlossen sein werden, vereinbaren wir eine deutschsprachige, private Besichtigungstour in der Medina von Fes für den Samstag. Den Freitag verbringen wir mit allerlei kleinen Reparaturen und Reinigungsarbeiten und genießen wärmende Sonnenstrahlen bei teilweise windigem Wetter.

Rifgebirge, Marokko
Auf Bergstraßen durch das Rifgebirge


Fes ist Fes

“Fes ist Fes” sagen die Bewohner von Fes und bringen damit zum Ausdruck, dass es sich bei ihrer Heimatstadt um einen ganz besonderen Ort mit viel Tradition und Geschichte handelt. Das können wir ohne Einschränkung bestätigen.

Am Samstag werden wir morgens um 10:00 Uhr von einem Fahrer des Campingplatzes in die Stadt gebracht. Auf dem Weg zur Medina machen wir einen kurzen Fotostopp am Vorplatz des Königspalastes, den wir schon von unserer letzten Reise im Jahr 2022 kennen. Wie schon damals ist der Palast selbst für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, so dass wir nur einen Blick von außen auf die prächtigen Tore werfen können. Weiter geht es bis zum Bab Boujeloud, dem berühmten blauen Eingangstor zur Medina von Fes, wo der gebuchte Guide schon auf uns wartet. Najib ist ein dreiundsiebzig jähriger Berber, der aus den Bergen des Mittleren Atlas stammt und schon viele Jahre in Fes als Fremdenführer arbeitet, nachdem er seine Stelle als Koch im Königspalast aufgegeben hatte. Wie von uns gewünscht spricht er ausgezeichnet deutsch, auch wenn wir für einzelne Erklärungen immer wieder auf englisch ausweichen. Mit Najib ziehen wir stundenlang durch die engen Gassen der Medina, die als das größte Labyrinth der Welt gilt und kommen während des ganzen Tages nur zu wenigen Orten, die wir bereits von unserem ersten Besuch kennen. Als wir um die Mittagszeit hungrig werden, führt uns Najib in ein schönes, traditionelles Restaurant, in dem wir bunte Vorspeisen und sehr leckeres Couscous mit Lamm verzehren. Als ganz besondere Spezialität essen wir hier auch unsere erste marokkanische Pastilla, eine mit Hähnchenfleisch gefüllte und exotisch gewürzte Pastete aus Blätterteig. Während des Essens erzählt Najib Geschichten von seiner Familie und aus seinem Leben, wodurch wir ihn auch näher persönlich kennenlernen. Später besichtigen wir eine Kooperative, in der uns der Unterschied zwischen den geknüpften Orientteppichen und den gewebten Berberteppichen erklärt wird. Wir kaufen einen vielseitig verwendbaren Berberteppich aus Kaktusfasern und unterstützen damit die Arbeit der Frauen, die diese Stücke in den Bergen des Atlas von Hand anfertigen. Während unserer langen Wanderung durch die Gassen der Stadt wird mehrfach von den Muezzins zum Gebet gerufen, wonach sich viele Händler in eine der über 230 Moscheen der Medina begeben und ihre Läden unverschlossen und unbewacht zurück lassen. Hier fürchtet sich niemand, dass während seiner Abwesenheit etwas aus dem offenen Verkaufsstand gestohlen werden könnte. Auch wir empfinden in der Stadt niemals Unsicherheit. Hin und wieder führt uns Najib in einen kleinen Familienbetrieb, wo wir Schreinern und Restauratoren bei ihrer kunstvollen Arbeit zusehen können. Wir besuchen die größte Gerberei der Stadt, die mit ihren vielen verschiedenen Becken immer ganz besondere Fotomotive bietet, eine Kooperative für Arganöl und eine Tuchweberei, ohne dass wir unser Reisebudget für weitere Souvenirs belasten, die uns aber einen zusätzlichen sehr interessanten Einblick in die vielfältigen Handwerksbetriebe der Medina bieten. Bevor wir die Altstadt verlassen, kaufen wir frisches Obst, Gemüse und Brot zu traumhaft günstigen Preisen und lassen uns dann vom Fahrer des Campingplatzes wieder zurückbringen. Dort angekommen, sprechen wir noch lange über die vielen Eindrücke dieses wunderschönen Tages.

Medina, Fes, Marokko
Einer der unzähligen Märkte in der weit verzweigten Medina von Fes


Blühendes Marokko im Mittleren Atlas

Bevor wir Fes am Sonntagvormittag wieder verlassen, stellen wir fest, dass die Uhren nun auch in Marokko auf Sommerzeit umgestellt wurden, somit liegen wir ab jetzt immer eine Stunde hinter der europäischen Zeit zurück. Im nahegelegenen riesigen Marjane Supermarkt füllen wir unsere Vorräte auf und machen uns auf den Weg in den Mittleren Atlas. Bis Ifrane ist es nicht besonders weit, sodass wir nach unserer Ankunft zum ersten Mal den Grill auspacken können, von dem es frische Steaks und geröstetes Knoblauchbrot gibt. Bei überwiegend sonnigem Wetter haben wir einen traumhaft schönen Platz unter blühenden Kirschbäumen und zwischen weiten Feldern mit Pfirsichbäumen, die ebenfalls in voller Blüte stehen. Ifrane liegt auf etwa 1600 Metern Höhe, hier wurde 1935 mit -23,5 Grad der absolute Kälterekord für ganz Afrika gemessen. So kalt wird es heute Nacht nicht, doch bei einer Temperatur von 5⁰ sind wir ganz froh, dass wir eine gute Heizung an Bord haben. 

Marokko
Bei unserer Fahrt in den Mittleren Atlas kommen wir durch lebhafte Ortschaften

Schon am nächsten Morgen fahren wir auf meist gut ausgebauten Straßen weiter in den Mittleren Atlas und erreichen um die Mittagszeit die kleine Agate Farm bei der Ortschaft Aguelmous. Nach einer kräftigen Mahlzeit aus selbstgemachtem schwäbischem Kartoffelsalat und marokkanischen Würsten erklimmen wir den steilen Gipfel des nahe gelegenen Berges, von dem man eine schöne Aussicht über das Land hat. Am späten Nachmittag lädt der deutschstämmige Betreiber Joachim zu leckerem Tee, während dem er viel über seine Leidenschaft als Mineraliensammler erzählt. Er ist seit vielen Jahren in ganz Marokko auf der Suche nach Achaten, von denen er eine ganz außergewöhnliche Sammlung angelegt hat. Joachim bearbeitet die Steine selbst und zeigt uns gerne seine Werkstatt, in der er aus unscheinbaren Steinen farbenfrohe Schmuckstücke anfertigt. Auf dem Gelände liegen Rohlinge von der Größe kleiner Eier bis hin zu einem siebzig Kilo schweren Brocken, für dessen Bearbeitung er gerade eine neue große Steinsäge baut. Viele seiner seltenen Funde werden weltweit an passionierte Sammler verkauft, die schönsten Stücke kommen in das kleine Museum der eigenen Farm. 

Aguelmous, Marokko, Jürgen
Jürgen zwischen rohen Achaten am Stellplatz bei Aguelmous

Imilchil, Marokko
Die Bergoase Imilchil liegt im Mittleren Atlas auf einer Höhe von 2120 Metern

Weiter geht es am Dienstagvormittag in Richtung der Todra Schlucht. Wir fahren wieder durch wunderschöne grüne Landschaften, die in vielen Farben prächtig blühen. Als wir immer höher ins Gebirge kommen, werden die Berge sichtbar trockener und die leuchtenden Farben wechseln zu einem einheitlichen Grau, durchzogen von beigen oder dunkelroten Gesteinsbändern. Wir erreichen am Nachmittag unser geplantes Tagesziel, den türkis leuchtenden Lake Tislit, an dem der angestrebte Stellplatz leider geschlossen ist. Einheimische erklären, dass das Übernachten trotzdem möglich sei, sodass wir uns auf den Weg um den See und auf die Suche nach einer geeigneten Stelle machen. Dummerweise haben wir nach der langen Fahrt vergessen, das Hirn wieder einzuschalten und fahren ohne die Strecke vorher abzulaufen in den viel zu engen Weg, aus dem es schon bald kein Zurück mehr gibt und wir dem Vagabund durch viel zu niedrige Bäume etliche neue Schrammen zufügen. Bei aller Dummheit haben wir am Ende das Glück, dass wir zurück auf die Hauptstraße kommen, ohne den ganzen Weg wieder zurückfahren zu müssen. Jetzt ist guter Rat teuer, denn in dieser abgelegenen Gegend gibt es keine offiziellen Alternativen, die als Stellplatz dienen können und das nächste Ziel in der Todra Schlucht liegt noch hundert Kilometer weit entfernt. So fahren wir mit suchendem Blick in die Ortschaft Imilchil, in der es mehrere Restaurants und Herbergen gibt, die zum Teil auch Stellplätze für Wohnmobile anbieten. An der Auberge L'Avenir wird der Wirt auf uns aufmerksam und winkt uns auf den Parkplatz vor dem Haus. Er bietet uns sofort einen marokkanischen Minztee an und erlaubt uns ganz selbstverständlich, dass wir auf seinem Platz über Nacht stehen bleiben können. Zunächst einmal sind wir sehr erleichtert, dass wir irgendwo unterkommen und ziehen los, um das kleine Bergdorf zu besichtigen. Der ganze Ort Imilchil wirkt  mit seinen verschiedenen Märkten, einfachen Straßenrestaurants und vielfältigen Werkstätten ausgesprochen traditionell. Allerdings hat uns die Aktion oben am See doch sehr die Laune vermiest, so dass es uns nicht gelingen will, den Spaziergang richtig zu genießen. Dafür gibt es, als wir zurückkommen eine ausgezeichnete Tajine mit Hühnchen und allerlei Gemüse, unser Gastgeber Hossin ist sichtbar bemüht darum, es uns gut gehen zu lassen. Als wir bezahlen wollen, sagt Hossin, wir sollten ihm einfach das geben, was es uns wert sei, er würde weder für die Übernachtung noch für das Essen Geld verlangen. Gegen Abend kommen leider einige der Kinder des Dorfes auf die Idee, Steine auf unser Wohnmobil zu werfen, worauf Hossin sie verjagen muss, unsere Laune sich aber weiter verschlechtert. Als ob das nicht genug wäre, kommen wir in der Nacht wegen der ausgesprochen vielen laut bellenden wilden Hunde kaum zum Schlafen, sodass wir am Mittwoch morgen schon um sechs Uhr aufstehen und bei Tagesanbruch den Ort Imilchil wieder verlassen.

Auf sehr rustikalen Straßen geht es fast neunzig Kilometer lang durchs Hochgebirge des Mittleren Atlas und über den 2645 Meter hohen Pass Col de Tizi Tigherrhouzine zum nördlichen Ende der Todra Schlucht. Die Landschaft ist ausgesprochen karg und staubig, ein wenig so, wie wir uns die Rückseite des Mondes vorstellen könnten. Weil wir am Morgen schon so früh losgefahren sind, erreichen wir den schönen und vor allem sicher gelegenen Campingplatz Baddou in Tamtetoucht bereits gegen 10:00 Uhr. Wir suchen uns eine schöne Stelle aus und machen uns bald daran, die Schrammen, die wir gestern in unsere Fenster gemacht haben, wieder zu beheben. Die Arbeit ist zwar anstrengend, doch das Ergebnis, das wir mit der mitgebrachten Polierpaste für Plexiglas erzielen, lässt sich durchaus sehen. Der lange Kratzer an der Seitenwand wird uns dagegen wahrscheinlich erhalten bleiben, eine Reparatur wäre hier kaum sinnvoll möglich. Bei der ganzen Geschichte haben wir immerhin das Glück, dass keine Schäden entstanden sind, die für Dichtheit oder Funktion relevant sind, sodass es sich “nur” um einen Schönheitsfehler handelt.

Mittlerer Atlas, Marokko
Auf der Fahrt durch die Hochlagen des Mittleren Atlas

Imilchil, Marokko
Imilchil im Mittleren Atlas von Marokko

Starkregen in der Todra Schlucht

Am Nachmittag machen wir eine kleine Wanderung durch die umgebenden Berge und in das nahe gelegene Dorf, das außer ein paar verlassenen und teilweise verfallenen Kasbahs nichts Außergewöhnliches zu bieten hat. Die Stimmung der Gebirgslandschaft, zusammen mit den tief hängenden Wolken, durch die oft die Sonne blitzt, begeistert uns und wir beobachten lange zwei Hirten, die mit ihren Schafherden am gegenüberliegenden Berghang unterwegs sind.

Die folgenden Tage bleiben wir bei stürmischem Regenwetter in Tamtetoucht und verbringen die meiste Zeit im Wohnmobil, wo wir lesen, faulenzen und ab und zu den Staublappen schwingen. In der Nacht auf Samstag regnet es so viel, dass die Straße durch die Schlucht gesperrt werden muss, wir können also nicht mehr weg, bevor die Steine wieder weggeräumt sind. Die im Augenblick viel gravierende Auswirkung der Straßensperre ist, dass der erwartete LKW mit frischem Gemüse nicht durchkommt und uns langsam die frischen Lebensmittel ausgehen. Achmed, der Betreiber des Campingplatzes, versichert, dass bereits schwere Maschinen unterwegs sind, sodass wir sicher im Laufe des Tages noch einkaufen können. Um 13:00 Uhr ist es so weit, Achmed holt uns am Wohnmobil ab und wir fahren zusammen zu einem sehr rustikalen Laden, in dem es so ziemlich alles gibt, was man im Dorf brauchen kann. Wir müssen im Laden noch einige Minuten warten, bis der Transporter mit der frischen Ware eintrifft und Obst und Gemüse in großen Kisten und Säcken ausgeladen werden. Wir bedienen uns sofort, Achmed kauft große Mengen für sein Restaurant, wir kaufen etwas mehr als zehn Kilo verschiedene Obst- und Gemüsesorten, die uns zusammen umgerechnet 17,- Euro kosten. Achmed beklagt, dass das Gemüse sehr teuer geworden sei, für uns fühlt sich das immer noch günstig an. Zurück im Vagabund verarbeiten wir Aubergine, Zucchini, Karotten, Bohnen, Tomaten und Paprika zu einem kreativen Pfannengericht, das mit Knoblauch, Ingwer, Fünf Gewürze Mischung, Sojasauce und Chili gewürzt wird und nachdem es mit frischem Koriander bestreut wird, sehr lecker schmeckt. Währenddessen spielt draußen das Wetter weiter verrückt und beschert in kurzer Abfolge Sonnenschein, Regen, kräftige Windböen und Hagel, eigentlich ein mustergültiges Aprilwetter, das wir allerdings hier nicht wirklich erwartet haben. Das ganze bei konstanten 11°C. Auch wenn das Wetter am Sonntag, dem 13. April trocken und überwiegend sonnig ist, fühlt es sich nach wie vor recht kühl an. Achmed teilt uns mit, dass weiterhin die tiefer in die Berge führenden Straßen unpassierbar sind und dadurch keine der in der Nähe liegenden Sehenswürdigkeiten angefahren werden können. So gibt es für uns einen weiteren Ruhetag, den wir immerhin teilweise im Freien verbringen können.

Tamtetoucht, Mittlerer Atlas, Marokko
Das Bergdorf Tamtetoucht liegt auf 1749 m im Mittleren Atlas

Am Montag fahren wir bei freundlichem Wetter weiter durch die Todra Schlucht nach Süden, wobei unterwegs viele über die Straße fließenden Gebirgsbäche zu durchqueren sind. Da das grobe Geröll inzwischen weitgehend weggeräumt ist, ist das Fahren durch das Wasser nicht besonders schwierig. Erst kurz vor dem tiefsten Einschnitt der Schlucht geraten wir in dichteren Verkehr, da die Todra Schlucht eines der beliebtesten Ausflugsziele in ganz Marokko ist. Ganze Busladungen an Touristen bevölkern den kurzen Abschnitt und versuchen, ihre Selfies zu machen. Natürlich gibt es entsprechend viele Guides, die ihre Dienste anbieten und Händler mit allerlei, natürlich handgemachten Souvenirs für die Gruppen. Nach einem kurzen Fotostopp fahren wir weiter durch die jetzt zunehmend wüstenartige Landschaft. Wir passieren die Oasenstadt Tinghir und kommen bald zur Straße der Kasbahs, die von hier bis nach Ouarzazate führt. Nur wenige Kilometer vor unserem Tagesziel bei Kalaat M'Gouna ist die Straße gesperrt und wir werden über kleine, schmale Landstraßen umgeleitet. Zum Glück können wir ein paar einheimischen PKWs folgen, sodass wir uns nicht total verfranzen, denn unser Navi ist mit dieser Situation komplett überfordert, kennt keine der kleinen Nebenstraßen und zeigt nur noch eine grüne Wiese an, auf der wir uns irgendwo befinden. Auf der alternativen Strecke zu unserem Stellplatz kommen wir zu einer Brücke, die über den hier hundert Meter breiten und reißend strömenden Dades Fluss führt. Mit unserer Breite von 2,35 Metern schaffen wir es so gerade noch auf die enge Brücke und über den beängstigend tosenden Fluss. Leider nur bis zum gegenüberliegenden Ende der Brücke. Dort stehen zwei massive Steinblöcke, zwischen denen gerade so etwa 2,30 Meter Platz ist. Da hilft kein Wünschen und kein Wollen, hier ist für uns das Ende der Strecke. Die einzige Möglichkeit geht rückwärts zurück über die Brücke, bei etwa fünf Zentimetern Platz zum Geländer auf jeder Seite. Die Autos hinter uns müssen natürlich auch zurück, doch alle helfen zusammen und so gelingt das ganze ohne weitere Aufregung. Der vorgesehene Platz ist für uns also heute nicht erreichbar und wir beschließen, direkt weiter nach Skoura an der Straße der Kasbahs zu fahren. Dort stehen wir auf einem großen Campingplatz in der Nähe der Kasbah Amridil, die zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört und die wir morgen besichtigen wollen.

Marokko, Hoher Atlas
Weiterfahrt in Richtung der schneebedeckten Berge des Hohen Atlas


Straße der Kasbahs

Am Dienstag, den 15. April wollen wir die nur wenige hundert Meter entfernte Kasbah Amridil besichtigen, die zu den am meisten sehenswerten Geheimtipps von Marokko gezählt wird. Nun haben wir schon gestern gesehen, dass zwischen uns und der Kasbah der immer noch viel Wasser führende Fluss Dades liegt, der erst einmal überwunden werden muss. Wie bei sehr vielen sogenannten Geheimtipps kommen auch hier jede Menge Touristen in Kleinbussen oder großen Geländewagen und schauen erst einmal hilflos ans andere Ufer, nicht wissend, wie sie das erreichen sollen. Viele geben nach einigen Fotos enttäuscht auf, während sich die Allradler irgendwann trauen, durch das maximal knietiefe Wasser zu fahren. Wir beobachten auch ein paar Einheimische auf ihrem Weg durch den Fluss, krempeln unsere Hosen hoch, nehmen die Schuhe in die Hand und kommen eigentlich ganz gut durch das kalte Wasser zum gegenüberliegenden Ufer. An der Kasbah werden wir von einem Führer zu einem der Eingänge gewunken. Er erklärt, dass man hier den ehemaligen Wohnbereich der Kasbah Amridil besichtigen könnte, während vom anderen Eingang nur ein schöner Innenhof mit Palmen zu sehen wäre. Wir glauben ihm und beginnen mit der Führung, die der Guide in passablem aber etwas holprigem Englisch hält. Schon nach wenigen Minuten gesellen sich zwei Italiener zu uns, von denen einer anbietet, den Dolmetscher für uns zu spielen, sodass der Führer französisch sprechen kann, was ihm natürlich leichter fällt. Als kleine Gruppe haben wir viel Spaß und erfahren so einiges über den Bau der Kasbah und über das traditionelle Leben, das hier etwa achtzig Menschen mit ihren Tieren führten. Von der Dachterrasse haben wir einen schönen Blick über die ganze Ortschaft bis hin zu den schneebedeckten Gipfeln des Hohen Atlas. 

Zurück am Campingplatz werden wir vom Betreiber gebeten, unser Wohnmobil umzuparken, da für den Nachmittag starke Sturmböen erwartet werden und wir bisher recht nah an einer großen Palme stehen. Die Palme hält zwar, doch werden wir später ziemlich durchgeschüttelt und sind froh, an einem sicheren Platz zu stehen.

Kasbah Amridil, Skoura, Marokko
Blick durch eine Schießscharte der Kasbah Amridil zu den Gipfeln des Hohen Atlas

Unsere Fahrt in Richtung Ouarzazate unterbrechen wir am Mittwoch mit einem Abstecher zu den Solarkraftwerken Noor I-IV, die mit einer Leistung von fast 600 MW zu den größten der Welt gehören. Während im südlichen Bereich große Felder mit Fotovoltaikanlagen zu sehen sind, ist das Solarturmkraftwerk Noor III das interessanteste der ganzen Anlage. Mehr als eine halbe Million riesige Spiegel reflektieren das Sonnenlicht zur Spitze eines 240 Meter hohen Solarturms, die dadurch eine Temperatur von bis zu 560°C erreicht. Durch die Hitze wird Dampf erzeugt, der in der Folge mehrere Turbinen zur Stromherstellung antreibt. Obwohl wir von außen nicht allzu viel erkennen können, ist das Kraftwerk eine beeindruckende Anlage, die von überall sichtbarem Militär streng geschützt wird. 

Solarkraftwerk, Noor, Marokko
Das Solarkraftwerk Noor bei Ouarzazate ist das größte der Welt

In Ouarzazate füllen wir unsere Vorräte im großen Carrefour Supermarkt, bevor wir bald darauf den Campingplatz L´Escale de Ouarzazate in Tazentout erreichen. Hier treffen wir, wie von unterwegs verabredet, unsere Freunde Eva und Clemens, die wir 2023 auf Sizilien kennengelernt haben. Sie reisen gemeinsam mit Ulla und Heinz durch Marokko und sind jetzt auf dem Weg in Richtung Marrakesch, das wir vielleicht irgendwann später auf dieser Reise besuchen werden. Zu sechst haben wir uns alle viel zu erzählen und verbringen einen tollen Nachmittag mit anschließendem Abendessen im Restaurant des Campingplatzes. Den Tag lassen wir in geselliger Runde mit einem schönen Glas Wein in unserer Wagenburg ausklingen.

Eva, Clemens, Andrea, Jürgen
Eva, Clemens, Andrea und Jürgen am Campingplatz L´Escale de Ouarzazate

Am Donnerstag fahren wir mit dem Vagabund nach Ouarzazate. Beim Tanken am Stadtrand stellen wir fest, dass zwar der Preis für Diesel in Marokko mit etwa 1,10 Euro recht günstig ist, dafür ist AdBlue mit umgerechnet 2,20 Euro viel teurer als zuhause, da werden wir in Zukunft unseren mitgebrachten Vorrat nutzen. In der Innenstadt finden wir selbst mit dem großen Fahrzeug schnell einen Parkplatz am Straßenrand ganz in der Nähe der großen Kasbah Taourirt. Die Kasbah, die die wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt ist, wurde bei dem schweren Erdbeben 2023 zu großen Teilen beschädigt und ist inzwischen etwa zur Hälfte wieder neu aufgebaut. Auch am Platz vor der Kasbah laufen noch intensive Reparaturarbeiten, die alle spätestens zum Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft 2030 abgeschlossen sein müssen. Bei einer Besichtigung der Kasbah Taourirt, diesmal ohne Führer, erkennen wir viele Merkmale wieder, die uns unser Guide in der Kasbah Amridil erklärt hatte, wobei die Kasbah in Ouarzazate wesentlich größer ist als die in Skoura. Nach einem kurzen Besuch im Souk, bei dem wir zwar schöne Stoffe sehen, aber heute nichts Passendes finden, fahren wir weiter durch das Tal der Draa in Richtung Agdz. Die Straße über die Berge ist recht neu, im südlichen Bereich kennt noch nicht einmal das Navi die aktuelle Streckenführung. Wir erreichen den Stellplatz Maison Tensift, den wir schon von unserer letzten Reise kennen, bei schönstem Sonnenschein und machen es uns dort unter Palmen wie aus dem Bilderbuch gemütlich.

An diesem wunderschönen Platz legen wir einen entspannten Ruhetag ein und machen Pläne für die nächsten Tage. Abends wird es windig und diesig, es bleibt aber mild und wir lassen uns eine riesige Portion sehr leckeren Couscous vom Betreiber direkt zum Wohnmobil bringen.

Kasbah Taourirt, Ouarzazate
An der Kasbah Taourirt in Ouarzazate

Während in Europa Karsamstag ist, fahren wir am 19. April von Agdz durch eine sehr öde und leere Landschaft zur Dattelpalmenoase N'kob, die auf etwa 1000 Metern Höhe in der Provinz Zagora liegt. Am Stellplatz werden wir sehr freundlich mit marokkanischem Tee empfangen und bekommen sofort einen großen, gewebten Berberteppich vor das Wohnmobil gelegt, sodass wir uns trotz des böigen und staubigen Windes schnell wohl fühlen. Am Nachmittag wandern wir durch das Dorf, das mit 45 die meisten vollständig aus Lehm gebauten, heute noch genutzten Kasbahs in ganz Marokko aufweisen kann. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Bis auf wenige, zu schicken Hotels umgebauten Kasbahs sind Straßen und Gebäude in einem Zustand, der bei uns als schlecht bezeichnet würde, hier aber für das tägliche Leben völlig ausreicht. Auch die Menschen wirken eher traditionell auf sich konzentriert und suchen kaum Kontakt zu uns Fremden. Einzig einige Kinder trauen sich, uns anzusprechen, können in N'kob aber kaum Englisch und nur wenig Französisch, das ist ein großer Unterschied zu anderen Regionen. So können wir uns schlecht mit ihnen unterhalten. Wir streifen durch die ausgedehnte Palmenoase, die durch ein Labyrinth aus Lehmmauern in unzählige grüne Gärten unterteilt ist, zwischen denen wir uns beinahe verirren.  Später kommen wir zum Souk, der gerade in den Seitenstraßen des Ortes aufgebaut wird. Hier erstehen wir sehr günstig frisches Gemüse für das heutige Abendessen. 

N'kob, Marokko
Im Wüstenort N'kob gibt es 45 Kasbahs, die noch immer bewohnt sind


Karte unserer Reise

Karte, Marokko
Unsere gefahrene Route durch Marokko